Scheidung vor dem Amtsgericht nur ohne Kopftuch?

Scheidungstermin beim Familiengericht

Eine Syrerin möchte sich scheiden lassen. Der für die Scheidung zuständige Familienrichter macht der Frau nach Informationen des Tagesspiegels Vorschriften, wie sie zu dem Scheidungstermin zu erscheinen hat – nämlich ohne Kopftuch.

Die Frau flüchtete von Syrien nach Deutschland. Sie wohnt jetzt in Brandenburg und möchte sich von ihrem Ehemann scheiden lassen. Sie und ihr Mann sind beide Muslime. Für die Scheidung ist das Amtsgericht Luckenwalde zuständig. Der den Scheidungsantrag bearbeitende Familienrichter ließ der Frau mitteilen, dass sie zum Scheidungstermin ohne Kopftuch zu erscheinen habe.

 Keine religiös motivierten Bekundungen während der Scheidungsverhandlung

In der Ladung zum Termin am 27. Juli heißt es: „Es wird darauf hingewiesen und zugleich um Beachtung gebeten aus gegebenen Anlass, dass religiös motivierte Bekundungen wie Kopftuch usw. im Gerichtssaal während der Verhandlung nicht erlaubt werden“.

 Drohung mit Ordnungsmaßnahmen

Sollten die Kleidervorschriften nicht befolgt werden, drohen der Frau Ordnungsmaßnahmen. Ob das Familiengericht der Frau das Kopftuch während des Scheidungstermins verbieten kann, ist rechtlich sehr zweifelhaft. Die Frau hat die Anordnung des Richters auch beanstandet und wartet nun zunächst auf eine Entscheidung des Richters.

 Kein Kopftuch für Richter und Staatsanwälte

Das Bundesverfassungsgericht hat zum Tragen eines Kopftuchs im Gericht bereits mehrfach geurteilt. Klar ist insoweit, dass Richter und Staatsanwälte dem Neutralitätsgebot unterliegen und kein Kopftuch tragen dürfen. Für Zuschauer, die einen Prozess im Gerichtssaal verfolgen, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese nicht allein wegen ihres Kopftuchs aus dem Zuschauerraum eines Gerichtssaals verwiesen werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 27.06.2006, Az. 2 BVR 677/05).

 Neutralitätspflicht auch in eigener Sache vor Gericht?

Die Frage, ob es einer Privatperson, die in eigener Sache vor Gericht auftritt, untersagt werden kann, ein Kopftuch zu tragen, ist bisher noch nicht erörtert worden. Die staatliche Neutralitätspflicht, die für Richter und Staatsanwälte gilt, gilt für Privatpersonen jedenfalls schon mal nicht.

Allenfalls könnte das Tragen des Kopftuchs gemäß § 176 Gerichtsverfassungsgesetz untersagt werden. In § 176 GVG steht: „Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.“

Danach hat der Richter für die Aufrechterhaltung der Ordnung während der Gerichtsverhandlung zu sorgen. Der Richter könnte also das Tragen des Kopftuchs untersagen, wenn zu befürchten ist, dass die Gerichtsverhandlung gestört werden könnte. Eine solche Ordnungsstörung muss allerdings objektiv zu befürchten sein. Das subjektive Empfinden des Richters reicht hierfür nicht aus. Vorschriften zur Kleiderordnung kann der Richter aber auch machen, wenn durch die getragene Kleidung die Würde des Gerichts in Frage gestellt wird.

So könnte der Richter z.B. das Auftreten im Karnevalskostüm, im Bikini oder Ballettkleid untersagen, soweit hierdurch die Ernsthaftigkeit des Prozesses in Frage gestellt wird. Ebenso könnte das Tragen von bedrohlich wirkender oder einschüchternder Kleidung, wie z.B. Springerstiefel oder Rockermontur untersagt werden. Ein Kopftuch stellt aber weder die Würde des Gerichts in Frage noch wirkt es objektiv bedrohend.

 Kopftuch-Verbot rechtlich zweifelhaft

Dass die Ordnung eines Gerichtsprozesses durch das Tragen eines Kopftuchs bedroht ist, ist objektiv nicht erkennbar. Die Anordnung des Familienrichters ist also rechtlich sehr zweifelhaft und steht auf tönernen Füßen.

Mal schauen, wie sich der Fall weiter entwickelt.

Übrigens: Der für den 27. Juli 2017 geplante Gerichtstermin ist zwischenzeitlich aufgehoben worden. Ob wegen des „Kopftuchstreits“ oder aus anderen Gründen wissen wir nicht.