Kinder im Alter von 3 bis 14 Jahren sind im Sorgerechtsverfahren vom Familiengericht persönlich anzuhören – Saarländisches OLG, Az. 9 UF 54/17

Streiten sich die Kindesmutter und der Kindesvater in einem Sorgerechtsverfahren um die elterliche Sorge ihres Kindes, dann ist das Kind sofern es das dritte Lebensjahr vollendet hat, grundsätzlich vom Familiengericht anzuhören. Dies geht aus einer Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts hervor:

Leitsatz zu Saarländische Oberlandesgericht, Az. 9 UF 54/17:

  1. Im Verfahren nach § 1671 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 2 BGB ist ein Kind regelmäßig etwa ab Vollendung des dritten Lebensjahres persönlich anzuhören (§ 159 Abs. 2 FamFG). Diese Anhörung kann mangels vergleichbaren Verfahrensgegenstandes grundsätzlich nicht durch eine vorangegangene Anhörung in einem Umgangsrechtsverfahren ersetzt werden.
  2. Der wesentliche Inhalt einer durchgeführten Anhörung ist nach § 28 Abs. 4 FamFG in einem schriftlichen Vermerk festzuhalten.
  3. Die zu Unrecht unterbliebene Kindesanhörung begründet einen schwerwiegenden Verfahrensfehler, der auf entsprechenden Antrag hin die Aufhebung und Zurückweisung gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG rechtfertigt.

 Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall übertrug das Amtsgericht Saarbrücken im Juni 2017 auf Antrag der Kindesmutter die elterliche Sorge vollständig auf die Kindesmutter. Eine Anhörung der minderjährigen Kinder unterblieb, da eine solche bereits in einem Umgangsverfahren im Januar 2016 erfolgte. Der Kindesvater hielt dies für unzulässig und legte Beschwerde ein.

 Schwerwiegender Verfahrensmangel aufgrund unterbliebener Kindesanhörung

Das Oberlandesgericht Saarland entschied zu Gunsten des Kindesvaters und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Aufgrund der unterbliebenen Kindesanhörung liege ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor.

 Anhörungspflicht im Sorgerechtsverfahren bei Kindern im Alter von 3 bis 14 Jahren

In einem Verfahren zur Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils davon gemäß § 1671 BGB sei ein Kind, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach Ansicht des Oberlandesgerichts persönlich durch das Familiengericht anzuhören. Diese Anhörungspflicht gelte grundsätzlich ab einem Alter von etwa drei Jahren. Es sei zu beachten, dass die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes ein maßgeblicher Gesichtspunkt darstelle. Die gebotene Anhörung habe das Amtsgericht nicht durchgeführt.

 Kein Unterbleiben der Anhörung aufgrund vorangegangener Anhörung in einem Umgangsverfahren

Soweit das Amtsgericht eine weitere Anhörung aufgrund der bereits erfolgten Anhörung im Umgangsverfahren für überflüssig hielt, folgte das Oberlandesgericht dem nicht. Eine weitere Anhörung könne nur dann unterbleiben, wenn das frühere Verfahren einen vergleichbaren Verfahrensgegenstand aufweise. Dies sei bei einem Umgangs- und einem Sorgerechtsverfahren jedoch nicht der Fall.

Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29.12.2017 – 9 UF 54/17 –
Diese Entscheidung betrifft folgende Rechtsgrundlage: § 1671 BGB
(NJW-Spezial 2018, 262; NJW-RR 2018, 387)

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Sorgerecht (Hintergrundtext)