Sorgerecht: Das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder bei der Scheidung

Alleiniges Sorgerecht

Wenn es um das Sorgerecht für das eigene Kind geht, hört der Spaß auf. Während die Ehepartner hinsichtlich vieler Scheidungsfolgesachen mit der Ehescheidung endgültig getrennte Wege gehen, bleiben sie durch gemeinsame minderjährige Kinder miteinander verbunden. Im „Normalfall“ sollen sie das Sorgerecht für die Kinder gemeinsam ausüben. Schwieriger wird es, wenn sich die Ehepartner über einzelne Aspekte des Sorgerechts nicht einigen können.

 Elterliche Sorge

Gemäß § 1626 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) haben Eltern die „Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge)“. Die elterliche Sorge umfasst sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge. Die Personensorge ist „insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen“ (§ 1631 Absatz 1 BGB).

 Das gemeinsame Sorgerecht

Das Sorgerecht obliegt beiden Elternteilen gemäß § 1626 a BGB in folgenden Fällen gemeinsam: Zum einen, wenn sie bereits bei Geburt des Kindes verheiratet waren oder zu einem späteren Zeitpunkt heiraten. Zum anderen, wenn sie zwar nicht verheiratet sind, aber eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben, oder wenn das Familiengericht ihnen auf Antrag eines Elternteils das gemeinsame Sorgerecht überträgt. Ansonsten übt die Mutter das alleinige Sorgerecht aus.

 Gemeinsames Sorgerecht nach der Ehescheidung

Verheiratete Eltern üben demnach gemeinsam das Sorgerecht für ihre Kinder aus. Dies ändert sich auch nicht mit der Scheidung der Ehe. Dies bedeutet jedoch, dass sie sorgerechtliche Entscheidungen wie den Aufenthalt der Kinder (insbesondere, wo die Kinder wohnen), sowie alle wesentlichen Angelegenheiten, die das Leben und die Erziehung der Kinder betreffen, gemeinsam entscheiden. Sie müssen miteinander im Gespräch bleiben und können wichtige Entscheidungen unabhängig davon, bei welchem Elternteil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nicht im Alleingang ohne den Ex-Partner treffen. So müssen sie einvernehmlich über medizinische Behandlungen entscheiden, sofern kein Notfall vorliegt. Sie entscheiden gemeinsam, welche Schule das Kind besucht, welcher Religionsgemeinschaft es angehört (wobei Jugendlichen mit zunehmenden Alter ein religiöses Selbstbestimmungsrecht zukommt), und über grundlegende Erziehungsfragen.

 Entscheidungen in Alltagsangelegenheiten

Lediglich Alltagsangelegenheiten kann der Elternteil, bei dem sich das Kind momentan aufhält, ohne gesonderte Absprache mit dem anderen Elternteil entscheiden. Dies sind alle Angelegenheiten ohne Auswirkung von Gewicht auf die Entwicklung des Kindes, die immer wieder vorkommen – so wie etwa die Frage, um wieviel Uhr das Kind am Abend ins Bett soll, ob und welchen Kinofilm es sehen darf, oder was es zu essen gibt.

Keiner Absprache bedarf es ferner in Notsituationen, in denen aufgrund der Eilbedürftigkeit keine rechtzeitige Rücksprache mit dem anderen Elternteil möglich ist – etwa wenn sich das Kind bei einem Verkehrsunfall körperlich schwer verletzt und sofort medizinisch behandelt werden muss.

Die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts steht und fällt mit der Kooperation der Eltern. Zum Wohl des Kindes, in dessen Sinne das Sorgerecht auszuüben ist, sollten Eltern stets so weit wie möglich versuchen, auf einen gemeinsamen Nenner hinsichtlich der Kinder zu kommen – bei allem Streit, der im Scheidungsprozess und danach zwischen den Ehepartnern auf persönlicher Ebene steht.

 Meinungsverschiedenheiten bei Ausübung des Sorgerechts

Manchen Ehepartnern gelingt es jedoch nicht, nach der Trennung oder Scheidung noch vernünftig miteinander zu sprechen und gemeinsame Entscheidungen hinsichtlich der Sorge für die Kinder zu treffen. Oder es besteht in einzelnen Fragen ein unüberbrückbarer Widerspruch, ein so großer Konflikt, bei dem keine gemeinsame Lösung mehr erreicht werden kann, so dass kein Weg an einer zwangsweisen Entscheidung durch das Familiengericht gegen den Willen eines Elternteils vorbeiführt. Dies ist häufig bei Fragen des Aufenthaltsbestimmungsrechts der gemeinsamen Kinder der Fall: Beispielsweise, wenn einer der Partner beabsichtigt, weit wegzuziehen – ins Ausland oder in eine weit entfernte Stadt – und dabei die Kinder mitnehmen möchte, wodurch die Kinder dem anderen Elternteil faktisch entzogen bzw. der Umgang auf wenige Urlaubszeiten beschränkt werden würde. Wenn der Ex-Partner mit dem Kind von Berlin in die USA zieht, wird der zurückbleibende Elternteil vom weiteren Umgang mit dem Kind und der Erziehung weitgehend ausgeschlossen.

 Beim Sorgerecht geht es um das Kindeswohl

Schließlich gibt es die Fälle, in denen es das Kindeswohl schlichtweg gebietet, einem Elternteil das Sorgerecht und möglicherweise auch das Umgangsrecht gänzlich zu entziehen. Dies ist etwa bei Gewalt gegen die Kinder der Fall, oder wenn ein Elternteil das Sorgerecht missbraucht, indem er etwa den Schulbesuch des Kindes verhindert oder das Kind zu Straftaten wie Dealen, Ladendiebstahl oder Körperverletzungen anhält. Eine Kindeswohlgefährdung kann auch vorliegen, wenn der Elternteil schlichtweg psychisch nicht in der Lage ist, für das Kind zu sorgen (beispielsweise bei schwerer Drogensucht), oder wenn sich der Elternteil einfach nicht ausreichend um das Kind kümmert und es nicht ausreichend ernährt oder beaufsichtigt.

 Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil

Wenn sich die Eltern „in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen“ können, „so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen“. Dies regelt § 1628 BGB. Bei der Entscheidung geht es nicht um das Ausspielen des einen Elternteils gegen den anderen, sondern allein um das Kindeswohl. Wichtige Entscheidungskriterien sind dabei unter anderem, welcher Elternteil gut für das Kind sorgen kann, wer für ein ausreichendes Maß an Stabilität im Alltagsleben sorgen kann und zu welchem Elternteil das Kind die ausgeprägtere Bindung hat. Soweit es um den Aufenthalt des Kindes geht – etwa beim beabsichtigten Umzug eines Ehepartners – ist auch die Bindung zu den übrigen Sozialkontakten des Kindes am bisherigen Wohnort, insbesondere den Verwandten und Freunden, sowie der Zugangs zu einer geeigneten Schule zu berücksichtigen.

 Widerspruchsrecht von Jugendlichen

Je älter das Kind ist, um das es bei der Entscheidung geht, desto größeres Gewicht erhält dessen Wille. Ab 14 Jahren kann das Kind der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil gemäß § 1671 Absatz 1 BGB widersprechen.