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Verzicht auf Trennungsjahr bei Erkrankung des Ehegatten aufgrund psychischer Erkrankung des anderen Ehegatten – Kammergericht Berlin, Az. 13 WF 183/17

InhaltsverzeichnisVerzicht auf Trennungsjahr bei Erkrankung des Ehegatten aufgrund psychischer Erkrankung des anderen Ehegatten – Kammergericht Berlin, Az. 13 WF 183/17

Das Familiengericht scheidet eine Ehe nur, wenn die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen. Vor Ablauf des Trennungsjahrs ist eine Scheidung nur möglich, wenn eine sogenannte unzumutbare Härte vorliegt, das heißt, dass die Fortsetzung der Ehe dem antragstellenden Ehegatten nicht zugemutet werden kann. Das Kammergericht Berlin hat im Rahmen eines Antrags auf Verfahrenskostenhilfe für die Scheidung hierzu Ausführungen gemacht:

Leitsatz zu Kammergericht Berlin, Az. 13 WF 183/17:

Zwar ist ein auf den Ausbruch oder die Verschlimmerung einer psychischen Erkrankung beruhendes Fehlverhalten eines Ehegatten regelmäßig kein tragfähiger Gesichtspunkt, um von dem Erfordernis einer mindestens einjährigen Trennungszeit vor Scheidung abzusehen. Eine unzumutbare Härte im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB kann aber gegeben sein, wenn das auf eine psychische Erkrankung zurückgehende Fehlverhalten des einen Ehegatten bei dem anderen, scheidungswilligen Ehegatten bereits zu schweren gesundheitlichen Folgen wie massive depressive Verstimmungen, Panikattacken oder Suizidgedanken geführt hat, die in einer Tagesklinik behandelt werden müssen und Ursache für dessen Arbeitsunfähigkeit sind.

 Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall litt ein Ehemann unter der psychischen Erkrankung seiner Ehefrau. Die Ehefrau litt unter Zwangsstörungen und Wahnvorstellungen. Sie äußerte mehrmals sich umbringen zu wollen, stellte ihren Ehemann nach, verwünschte ihn und drohte ihm mit der Ermordung. Aufgrund des Verhaltens der Ehefrau litt der Ehemann selbst unter Depressionen, Panikattacken und Selbstmordgedanken. Er war in seiner Arbeitsfähigkeit massiv eingeschränkt. Die Eheleute lebten zwar bereits getrennt, jedoch war noch nicht das erste Trennungsjahr abgelaufen. Der Ehemann wollte dennoch die Scheidung beantragen, da er ein weiteres verbunden sein mit seiner Ehefrau für unzumutbar hielt. Er beantragte daher die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe.

 Amtsgericht gewährte keine Verfahrenskostenhilfe

Das Amtsgericht Berlin-Pankow/Weißensee (AG Berlin-Pankow-Weißensee, Az. 16 F 4389/17) gewährte dem Ehemann keine Verfahrenskostenhilfe, da es die Erfolgsaussichten eines frühzeitigen Scheidungsantrags für nicht gegeben ansah. Gegen diese Entscheidung legte der Ehemann sofortige Beschwerde ein.

 Kammergericht bejaht Erfolgsaussicht einer frühzeitigen Scheidung

Das Kammergericht Berlin entschied zu Gunsten des Ehemanns und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Dem Ehemann stehe Verfahrenskostenhilfe zu, da sein Scheidungsantrag trotz fehlenden Ablaufs des ersten Trennungsjahrs Erfolg haben kann.

 Unzumutbarkeit des „weiter-miteinander-verheiratet-seins“

Zwar sei ein auf den Ausbruch oder der Verschlimmerung einer psychischen Erkrankung beruhendes Fehlverhalten eines Ehegatten regelmäßig nicht geeignet, so das Kammergericht, die Voraussetzungen für eine Scheidung wegen unzumutbarer Härte gemäß § 1565 Abs. 2 BGB zu begründen (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.10.1994 – 9 WF 124/94 -). Dies gelte aber dann nicht mehr, wenn das krankheitsbedingte Fehlverhalten des einen Ehegatten zu massiven Auswirkungen beim anderen Ehegatten führe. So lag der Fall hier. Der Ehemann litt unter Depressionen, Panikattacken und Selbstmordgedanken. Es haben daher in der Person der Ehefrau Gründe vorgelegen, die so schwer seien, dass dem Ehemann objektiv nicht zugemutet werden könne, weiter an die Ehefrau gebunden zu sein.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 04.10.2017 – 13 WF 183/17 –
Diese Entscheidung betrifft folgende Rechtsgrundlage: § 1565 Abs. 2 BGB
(NJW-Spezial 2018, 198; NZFam 2018, 233; FamRB 2018, 175)

 Weitere Informationen

Das Trennungsjahr verkürzen  (Hintergrundtext)