InhaltsverzeichnisVerzicht auf Trennungsjahr bei laufender Misshandlung der Ehefrau – OLG Düsseldorf, Az. 2 WF 112/77
Grundsätzlich ist eine Scheidung erst nach Ablauf des Trennungsjahrs möglich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist möglich, wenn es einem Ehegatten wegen einer unzumutbaren Härte nicht zumutbar ist, das Trennungsjahr abzuwarten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.1977, Aktenzeichen 2 WF 112/77 hatte zu entscheiden, ob eine solche unzumutbare Härte vorliegt, wenn die Ehefrau von ihrem Ehemann misshandelt und beschimpft wird.
Orientierungssatz von scheidung.services zu Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. 2 WF 112/77:
Einer Ehefrau, die laufend von ihrem Ehemann misshandelt wird, ist die Fortsetzung der Ehe bis zum Ablauf der Trennungszeit unzumutbar. Eine Scheidung ist in diesem Fall gemäß § 1565 Abs. 2 BGB aufgrund einer unzumutbaren Härte auch vor Ablauf des Trennungsjahrs möglich.
Sachverhalt
Im Mai 1977 zog eine Ehefrau aus der gemeinsamen Ehewohnung aus. Hintergrund dessen war, dass der Ehemann alkoholabhängig war und sie in betrunkenem Zustand misshandelte und beschimpfte. Dies geschah in der Regel auch vor den gemeinsamen fünf minderjährigen Kindern. Vier Monate nach dem Auszug begehrte sie die Scheidung von ihrem Ehemann. Das Amtsgericht wies dies in Anbetracht der noch nicht abgelaufenen, aber erforderlichen Trennungszeit zurück. Eine unzumutbare Härte, die eine sofortige Scheidung rechtfertigen kann, sah das Gericht als nicht gegeben. Gegen diese Entscheidung legte die Ehefrau Rechtsmittel ein.
Recht auf Scheidung vor Ablauf der Trennungszeit
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied zu Gunsten der Ehefrau und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. In der Person des Ehemanns liegen Gründe vor, die für die Ehefrau eine Fortsetzung der Ehe bis zum Ablauf der erforderlichen Trennungszeit als unzumutbar erscheinen lassen. Sie habe sich daher gemäß § 1565 Abs. 2 BGB scheiden lassen können.
Unzumutbares Abwarten der Trennungszeit aufgrund laufender Misshandlungen
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts könne der Alkoholmissbrauch angesichts dessen, dass die Ehefrau dies über Jahre hinweg nicht zum Anlass einer Scheidung genommen habe und der Alkoholmissbrauch auch nicht gravierender geworden sei, keine unzumutbare Härte darstellen. Jedoch sei das Abwarten der Trennungszeit aufgrund der laufenden Misshandlungen für die Ehefrau unzumutbar. Ein solches gegen die körperliche Integrität eines Ehegatten gerichtetes Verhalten, sei so schwerwiegend, gegen ihre Gesundheit und Würde als Frau und Mutter von fünf minderjährigen Kindern gerichtet, dass eine Fortsetzung der Ehe nicht mehr zumutbar sei.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.1977 – 2 WF 112/77 –
Diese Entscheidung betrifft folgende Rechtsgrundlage: § 1565 Abs. 2 BGB
(NZFam 1977, 804)